2022 tat sich mit der Ethereum-Zensur ein neues Problem auf, für das massgeblich die US-Behörden verantwortlich waren. Durch Sanktionen der USA drohte dem Netzwerk der komplette Verlust seiner Neutralität. Wie ist der aktuelle Stand?

Update April 2023: Zensur von Ethereum nimmt deutlich ab

Über das Frühjahr 2023 ist es dem Ethereum-Netzwerk gelungen, den vorherigen Trend umzukehren. Die Zensur der Blockchain nimmt seit Januar deutlich ab. Am 12. April 2023 sind nur noch 30 Prozent der neuen Blöcke zensiert, während 54 Prozent der Validatoren gezielt MEV-Boosts verwenden, die eine Zensur kategorisch ablehnen.

Die Abkehr von der Zensur gelang dem Netzwerk, da viele grosse Namen auf die Problematik aufmerksam machten. MEVWatch stellt die Gefahr anschaulich dar und bietet Nutzern einfache Lösungsansätze. Während unzensierte MEV-Boosts deutlichen Zuwachs erfahren konnten, nahm die Ablehnung einiger Validatoren gegenüber diesen Programmen zu.

Während im Januar nur acht Prozent aller Validatoren auf MEV-Boosts verzichten, sind es im April mit 16 Prozent bereits doppelt so viele.

MEV Boost Verlauf April 2023
Das Verhältnis der MEV-Boosts im Ethereum-Netzwerk im zeitlichen Verlauf. Eine Aufnahme vom 12. April 2023.

Ethereum-Zensur nimmt 2022 bis Dezember drastisch zu

Ein mögliches Zensur-Problem auf Ethereum kommt 2022 vermehrt ins Gespräch. Grund dafür war bis zum September aber ETHs Wandel von Proof of Work zu Proof of Stake. Nach dem Merge kommt es tatsächlich zu einem drohenden Neutralitätsverlust – jedoch auf eine andere Weise als zunächst erwartet.

Zu Spitzenzeiten im November 2022 werden rund 80 Prozent neuer Ethereum-Blöcke einer Zensur unterzogen. Eine vollständige Einschränkung des Netzwerks ist dadurch allerdings noch nicht möglich. Damit Ethereum vollständig zensiert ist, müsste jeder Validator diese Massnahmen vornehmen.

Denn: Innerhalb des Netzwerks kommt es zu keiner Spaltung. Blöcke, die validiert werden, akzeptiert auch sonst jeder Validator – ungeachtet der Tatsache, ob die im Block enthaltenen Transaktionen dem eigenen Einverständnis entsprechen oder nicht. Unliebsame Zahlungen könnten jedoch längere Zeit warten müssen, bis sie abgewickelt werden.

Entwicklung Ethereum Zensur
Entwicklung der Ethereum-Zensur seit dem Merge. Der Anteil zensierter Blöcke in Rot, bewusst unzensierte Blöcke in Türkis. Blöcke, die ohne MEV-Boost auskommen und dadurch individuell zusammengesetzt werden in Grau.

Damit eine effektive Zensur eintritt, könnten die bereits zensierten Validatoren ihre unzensierten Kollegen einfach abstossen. Zeitweise wäre der Aufwand dazu nicht besonders hoch gewesen. Am 21. November 2022 herrscht ein Verhältnis von 79 Prozent zensierter Validatoren zu nur noch 21 Prozent unzensierten Validatoren.

Überraschend war die schnelle Zunahme der Nutzer, die an der Zensur teilnahmen. Nur zwei Wochen nach dem Merge berichtet CoinPro über Ethereums neues Problem. Nach nur 15 Tagen sind bereits die Hälfte aller neuen Blöcke zensiert.

Warum ist die Zensur von Ethereum plötzlich ein Problem?

Ethereums plötzlich drohende Zensur ist ein Nebenprodukt des Wandels zu Proof of Stake. Unabhängige Entwickler entwerfen sogenannte MEV-Boosts, die darauf ausgelegt sind, die Profite der Validatoren zu maximieren, indem sie die Erstellung der Blöcke an eine weitere Partei auslagern.

Einige dieser MEV-Boosts automatisieren jedoch eine Zensur. So blockieren sie gezielt Transaktionen, die der Sanktionsliste der OFAC widersprechen. Netzknoten, die derlei MEV-Boosts verwenden, integrieren unliebsame Transaktionen nicht in ihren Blöcken.

Besonders populär ist der zensierte MEV-Boost Flashbots des gleichnamigen Unternehmens Flashbots Ltd. mit Sitz auf den Kaimaninseln. Gründer des Unternehmens sind die US-Amerikaner Stephane Gosselin und Phil Daian. Gosselin zog sich im Oktober 2022 aus dem MEV-Geschäft zurück. Er hatte Bedenken wegen der zunehmenden Zensur.

Was ist ein Block Builder? Was ist ein Block Proposer?

Block Builder unterbreiten ihre Blöcke mit einem bestimmten Gebot. Der MEV-Boost setzt Blöcke dabei möglichst gewinnbringend zusammen. Der Block Proposer ist eine weitere Instanz, die vom Netzwerk dazu bestimmt wurde, einen Block zu einem bestimmten Zeitpunkt anzufertigen. Der Block Proposer setzt diesen Block jedoch nicht selbst zusammen, sondern wählt einen extern erstellten Block aus, der möglichst gewinnbringend ist.

Als Block Builder kann dabei jeder Netzknoten auftreten, der den nötigen Algorithmus anwendet und in der Lage ist, die anfallenden Gebühren an einen Block Proposer zu zahlen.

OFAC Zensur Ethereum letzte 100 Blöcke
Momentaufnahme vom 16. Januar 2023. Die 77 letzten Blöcke des Ethereum-Netzwerks setzten die Sanktionen der US-amerikanischen Behörden um.

Besonders skurril: Eigentlich sollte die Aufteilung zwischen Blockerstellung und Blockunterbreitung zu weniger Zensur führen. Übernimmt eine Instanz beide Aufgaben, lassen sich Geldbewegungen potenziell manipulieren, um daraus den eigenen Vorteil zu schlagen.

Besonders gefährlich ist dieser Zustand, da die Transparenz der Ethereum-Blockchain oft die Erschliessung weiterer Daten zulässt – wer sendet wie viel Geld in welchem Zusammenhang?

ETH-Zensur seit November 2022 rückläufig

Zu einer umfassenden Zensur des Ethereum-Netzwerks ist es bisher nie gekommen. Seit November 2022 ist der Trend zum Ausschluss bestimmter Geldsendungen rückläufig. Am 16. Januar 2022 setzen noch 66 Prozent aller Nodes eine Zensur um.

26 Prozent der Netzknoten setzen auf MEV-Boosts, die keine Zensur vornehmen. Weitere zehn Prozent verwenden keinerlei MEV-Boost und erstellen Blöcke somit nach ihren eigenen Prämissen. Besonders der Anteil an Netzknoten, die generell auf MEV-Boosts verzichten, hält sich seit November stabil zwischen zehn und zwölf Prozent auf.

Anders sieht es unter den Nutzern der MEV-Boosts aus. Vom 21. November bis zum 16. Januar konnte sich der Anteil der unzensierten MEV-Boosts mehr als verdoppeln. Einige Nutzer wechselten ihre zensierten MEV-Boost-Relays durch unzensierte Varianten aus. Diese Entwicklung ist ein Indiz dafür, dass grosse Teile des Netzwerks die Zensur nur unwissentlich unterstützten.

Wie können Ethereum Nodes Zensur verhindern?

Dem drohenden Neutralitätsverlust des Netzwerks schenkte MEVWatch grosse Aufmerksamkeit. Die Webseite trug dazu bei, Kritik am herrschenden System zu verbreiten. Gleichzeitig listet man dort Lösungsansätze für Node-Betreiber, um eine Zensur effektiv zu verhindern.

Aktuell empfiehlt man unter anderem MEV-Boost-Relays von Ultrasound Money, Agnostic Boost oder Aestus. Diese nehmen keine Zensur vor und lassen sich durch eine simple Konfiguration nutzen, die auf MEVWatch beschrieben wird.

Ethereum Zensur teilnehmende Validatoren

Zentralisierte Krypto-Börsen und ähnliche Dienste setzen die Zensur verhältnismässig streng um. Gemessen an den ausgegebenen Blöcken fallen Coinbase, Binance und Lido besonders negativ auf. MEVWatch rät davon ab, ETH bei den hier gelisteten Unternehmen zu staken.

Wie reagiert Vitalik Buterin auf die Zensur-Problematik?

Die Thematik der MEV-Boosts bringt eine mögliche Zensur nicht das erste Mal auf. In der Vergangenheit erklärten Ethereum-Entwickler immer wieder, dass die Nutzergemeinschaft restriktive Teile der Nutzer abstrafen sollten – durch sogenanntes Social Slashing.

Die Ethereum Stiftung beschreibt Social Slashing wie folgt:

Social Slashing ist die Fähigkeit der Gemeinschaft, als Reaktion auf einen Angriff eine Abspaltung der Blockchain zu koordinieren. Es ermöglicht der Gemeinschaft, sich von einem Angreifer zu erholen, der die Blockchain manipulieren will. Social Slashing kann auch gegen Zensurangriffe eingesetzt werden.

Ethereum integrierte für diese Fälle einen Inactivity Leak Mechanismus. Dank diesem lässt sich die beschriebene Abspaltung grösstenteils automatisieren. Die teilnehmenden Nutzer müssen sich zum Beginn ihrer Trennung lediglich auf einen spezifischen Block einigen.

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Mehr Informationen

Im August 2022 – einen Monat, bevor sich die Zensur-Problematik der MEV-Boosts abzeichnet – nimmt Vitalik Buterin an einer Umfrage teil, in der er eine klare Haltung demonstriert. Im Falle einer Zensur sollte die restriktive Instanz durch Slashing bestraft werden, so macht er deutlich.

Schon gewusst? Der Auslöser der Problematik entstand schon vor dem Merge durch die Sanktion eines Smart Contracts seitens der US-amerikanischen Behörden. Durch Proof of Stake manifestierte sich der Konflikt.

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