Objektiv betrachtet lässt sich das Verhältnis der chinesischen Politik zu Kryptowährungen und der damit verbundenen technologischen Innovationen als ambivalent bezeichnen. Für potenzielle Investoren im Land ist es seit jeher schwierig. Denn abseits von Gerüchten gab es lange keine klare Position der Regierung in Peking zum Kryptothema. Im Laufe dieses Jahres kamen wiederholt Meldungen auf, dass China Bitcoin Mining, das Schürfen von Altcoins verbieten und sogar unter Strafe stellen könnte. In verschiedenen Regionen des riesigen Staates waren seit dem Marktstart des Bitcoin innerhalb eines Jahrzehnts Hochburgen für Mining-Farmen entstanden. Als Grund für die Entwicklungen lagen vor allem die teils sehr niedrigen Strompreise nahe. Bitcoin und China – wie passt das zusammen?

Mit Bitmain und anderen Produzenten ist China darüber hinaus Heimat einiger der wichtigsten Anbieter von Krypto-Hardware. Auch einige der zeitweise wichtigsten Bitcoin Börsen hatten/haben ihren Sitz im Reich der Mitte. „Hatten“ deshalb, weil manches Unternehmen aufgrund der unsicheren Rechtslage zwischenzeitlich Entscheidungen zugunsten einer Standortverlagerung gefällt haben.

Enormes Potenzial in China bisher nicht ausgeschöpft

Vor diesem Hintergrund kamen die Ankündigungen zu Verboten für Mining, Börsen und zeitweise sogar den Besitz von Bitcoin und Co. insgesamt wenig überraschend. Die negativen Schlagzeilen sind aber nach aktuellen Analysen nur die halbe Wahrheit, wenn es um das mitunter widersprüchliche Verhältnis Chinas zu digitalen Währungen und die Marktentwicklungen geht. Schaut man sich zum Beispiel das Interesse aufseiten der Bürgerinnen und Bürger an, ist China ein erfolgsversprechender Wachstumsmarkt mit reichlich Potenzial. Gefördert wird die ohnehin erkennbare grosse Begeisterung der Investoren durch wirtschaftliche und politische Konflikte. Im Rahmen der Auseinandersetzungen in der Sonderverwaltungszone Hongkong in den vergangenen Wochen stieg die Zahl der Investitionen und Transaktionen spürbar auf etlichen Börsen, die chinesischen Anlegern im Moment offen stehen.

Regierung will Milliarden für Blockchain-Entwicklungen freigeben

Das Beispiel Chinas zeigt damit, dass das Interesse an Bitcoin, Ethereum und anderen Coins (wie in anderen Ländern wie etwa Argentinen oder Venezuela) steigt, wenn Staaten mehr oder weniger restriktiv auf die Entwicklungen im Bereich der digitalen Währungen reagieren. Im Falle Chinas fällt das Urteil insofern überraschend aus, da die Regierung zwar Token für riskant hält, aber die Blockchain für sinnvoll hält. Und zwar in einem beträchtlichen Ausmass. Denn trotz aller Bedenken möchte die Regierung Chinas in den Jahren bis 2023 mindestens 2,0 Milliarden US-Dollar in die Entwicklung der Blockchain-Strategie investieren. Hier ist die exakte Definition des Vorhabens aber entscheidend. Nachdem Präsident Xi Jinping öffentlich über Chinas Zukunftspläne berichtet hatte, kam es innerhalb der Kryptobranche zu manch vorschneller Interpretation.

Regierung rät Anlegern weiter von Krypto-Investments ab

Vielfach war spekuliert worden, die Regierung öffne sich endlich für den Bitcoin und Altcoins. Schnell nach den ersten Analysen folgte die Korrektur. China, so Xi, halte an der kritischen Haltung digitalen Währungen gegenüber fest. Anlegern rate man von Investitionen ab. Zu volatil seine Kryptowährungen, Bürgerinnen und Bürger sollten ihr Geld lieber am traditionellen Anlagemarkt investieren. In diesem Punkt also gibt es zumindest fürs Erste keine positiven Veränderungen. Allerdings: Seit einiger Zeit gibt es bereits einiges Rätselraten um die Einführung eines digitalen Yuans als Antwort auf den Bitcoin. Chinas Zentralbank denkt laut offiziellen Stellungnahmen schon seit längeren darüber nach, eine eigene digitale Währung einzuführen. Damit würden die Wettbewerbshüter nicht zuletzt auf kommende Produkte wie Facebooks Libra reagieren.

Chinas Wirtschaftsriesen fördern Krypto-Wachstum zunehmend

Zu den Förderern der Kryptobranche in China gehören angesichts der Widersprüchlichkeit der Regierung die grossen Konzerne und Börsen. Binance China etwa kündigte Mitte Oktober an, seiner Kundschaft den Bitcoin Kauf über die beiden Dienste WeChat und AliPay ermöglichen zu wollen. Vor allem der Chat-Dienst WeChat kann eine riesige Usergruppe vorweisen. Mobiles Bezahlen gehört schon seit einiger Zeit zum Leistungsspektrum der Plattform des Unternehmens Tencent. Die Verbindung digitaler Währung und des Servicemodells WeChat könnte schon bald den Grundstein für grösseres Krypto-Interesse im sogenannten „Mainstream“ – also bei ganz normalen Bürgerinnen und Bürgern – sorgen. Dass die Regierung Grosskonzernen wie dem ebenfalls mit Kryptowährungen verbundenen Online-Händler Alibaba Aktivitäten untersagen wird, scheint eher unwahrscheinlich.

Dass die Politik trotz offiziell fehlender Lizenzen auch den Kryptohandel über Börsen weitgehend zulässt, gilt vielen Beobachtern als Signal für eine schrittweise Abkehr von DER vormals strikten Anti-Krypto-Politik. Gerade Alibaba könnte als „grösste B2B-Handelsplattform der Welt“ den Weg freimachen, damit China zu einem der wichtigsten Standorte für Krypto-Startups und etablierte Unternehmen der Branche werden kann.

Teil 1: Argentinien und Bitcoin

Teil 3: Russland und Bitcoin

Teil 4: Deutschland und Bitcoin

Teil 5: USA und Bitcoin

Jetzt Beitrag teilen