Noch immer gelten Kryptowährungen für viele unerfahrene als eine Art Glücksspiel. Dies liegt ohne Frage daran, dass Medien vor allem auf die hohe Schwankungsanfälligkeit – die sogenannte Volatilität – zu sprechen kommen, wenn es um den Bitcoin und Altcoins geht. Und in der Tat haben die vergangenen Wochen mehrfach unter Beweis gestellt, wie schnell die Preise am Markt steigen und leider auch fallen können. Wahr ist aber gleichermassen, dass digitale Währungen eine zunehmende Akzeptanz im „Mainstream“ verbuchen. Und dies macht Coins und Token durchaus wertbeständiger als in den frühen Jahren der Branche. Und es gibt durchaus analytische Ansätze, die eine Bitcoin-Kursanalyse ermöglichen. Die Stock-to-Flow-Ratio ist ein solches Hilfsmittel, mit dem mancher Anleger bereits gute Bitcoin-Erfahrungen gesammelt hat. Ein guter Grund, sich eingehender mit dem Begriff und dem Analyse-Hintergrund zu befassen.

Die wichtigsten Daten im kompakten Überblick:

  • Stock-to-Flow-Ratio am Kryptomarkt ein junges Analyseverfahren
  • Analyseansatz zieht Parallelen zum Edelmetall Gold
  • Prognosen basieren auf Verhältnis von Produktionsmenge & Marktbestand
  • teils zu unsichere Datenlagen für die Analyse

„Ratio“ sagte schon oft sechsstellige BTC-Kurse vorher

Knapp zusammengefasst, lässt die Stock-to-Flow-Ratio bei einem Gut Rückschlüsse auf seine Knappheit zu. Diese Formulierung verlangt freilich nach einer ausführlicheren Erklärung, um einen Eindruck der technischen Hintergründe und der Aussagekraft der Erkenntnisse. In der Vergangenheit brachte die Stock-to-Flow-Ratio im Rahmen der Bitcoin-Kursanalyse manch erstaunliche Vorhersage. Im November 2019 etwa kursierten verschiedene Meldungen, die den BTC-Kurs in Regionen von 250.000 US-Dollar und mehr für das Frühjahr 2020 sahen. Derartige Prognosen aber wiesen vielfach statistische Mängel auf. Zudem fusste manche Einschätzung zu astronomisch hohen Kursen meist auf weiteren Annahmen, die aber zur die Ermittlung der eigentlichen Stock-to-Flow-Ratio nur bedingt geeignet sind.

Stock-to-Flow: Verhältnis produzierter Menge und der Marktreserven als Basis

Die verdeutlicht einmal mehr, warum sauberes analytisches Arbeiten so wichtig ist. Denn selbst das dritte Halving in der Bitcoin-Blockchain liess den Preis nicht so hoch wie erwartet steigen. Doch kommen wir nun zur eigentlichen Erklärung der Analyse-Möglichkeit zum BTC-Preis. Bei der Stock-to-Flow-Ratio geht es um die Beschreibung der Knappheit eines Vermögenswertes – analog oder digital. Der Begriff Ratio bedeutet hier „Verhältnis“, „Flow“ steht für eine mögliche Produktionsmenge, während „Stock“ den aktuellen Lagerbestand definiert. Das Verhältnis meint dabei, wie viel Zeit verstreicht, bis der aktuelle Lagerbestand bei Einhaltung der momentanen Produktionsmenge erreicht wäre. Aus der Relation des Bestandes und der produzierten Menge ergibt sich als die Knappheit eines Gutes XY. Der Wert der Knappheit steigt parallel zur Höhe des Verhältnisses.

Das SF-Modell gehört bei der BTC-Analyse zu jungen Varianten zur Kursprognose. In seiner mittlerweile gebräuchlichen Version kursiert es erst seit kurzem in Bitcoin-Foren und auf Fachportalen. Als Urheber des Konzepts gilt „PlanB“ ein bekannter Kryptoanalyst. Selbiger ermittelte für das Jahr 2019, dass das Währungspaar aus Bitcoin und US-Dollar lediglich zeitweise vom Stock-to-Flow-Modell abwicht. Insbesondere zum Jahresende aber gab es eine deutlichere Schwankung.

Beschränkung der Ressourcen als wichtiges Kriterium

Niemand Geringerer als Nick Szabo sieht in der besagten Knappheit eine „eher fälschungssichere Kostbarkeit“. Es gibt per Definition höchstens 21 Millionen Bitcoins, was die Digitalwährung deutlich von Fiatgelder unterscheidet. In Finanz- und Wirtschaftskrisen werfen die Zentralbanken gerne die Geldpressen an und steigern die Geldmenge, was meist mit einem Anstieg der Inflationsraten einhergeht. Solche Entwicklungen übrigens hinterlassen auch am Kryptomarkt bleibenden Eindruck, sodass Probleme oder wirtschaftliche Ereignisse auch Einfluss auf den Bitcoin-Kurs haben.

Analyse-Modell kommt vor allem beim Gold zum Einsatz

Eigentlich legen Analysten die Stock-to-Flow-Ratio vor allem bei Rohstoffen wie beispielsweise dem „sicheren Hafen für Anleger“ Gold zugrunde. Die Grundannahme eines steigenden Preises bei zunehmender Knappheit ist beim Edelmetall zumeist auch zutreffend. Die Anwendung des Analyseinstruments ist generell auch mit Blick auf den Bitcoin-Kurs möglich, die resultierenden Kursprognosen führen indes zu den besagten „Mondpreisen“. Schon der Einfluss der etwa alle vier Jahre stattfindenden Halvings und der damit verbundenen Halbierung der Mining-Belohnungen wird mitunter überbewertet. Ein zeitweise geringerer Nachschub an Coins im System wirkt sich in der Stock-to-Flow-Ratio ebenfalls teils unverhältnismässig deutlich auf die Erwartungen aus.

Hoher SF-Wert spricht für steigendes Kurspotenzial

Viele Industrierohstoffe (z. B.) Kupfer zeigen seit jeher, dass der Preis von der Anpassung der produzierten Mengen mehr oder weniger deutlich beeinflusst wird. Übertragen auf den Bitcoin kann die Knappheit also ein wichtiger Kursindikator sein. Hier geht es um das Verhältnis zwischen Bestand und Fluss bzw. die Beziehung zwischen der am Markt verfügbaren BTC-Menge und der handelbaren.

Ein Rechenbeispiel: Auswertungen zufolge entstanden 2019 gut 657.000 neue Bitcoins mittels Mining. Der Markt wies Ende April 2020 ein Kontingent von etwa 18,36 Mio. Bitcoins auf. Im einfachen Berechnungsmodell liegt die Stock-to-Flow-Ratio bei 27,9.

Durch das ständige Entstehen neuer Blöcke und weitere stattfindende Halvings steigt die Relation des Bestandes zur Neuproduktion stetig. Interessanterweise kommen verschiedene Auswertungen zum Ergebnis, dass die Stock-to-Flow-Daten des Bitcoins durchaus mit denen von Gold und Silber mithalten. Ende 2017 etwa entsprach der SF-Werte des BTC beinahe dem Wert von Silber.

Kritische Faktoren dürfen nicht ausser Acht gelassen werden

Mit Blick auf Halvings gibt es hier zudem ein Problem. Experten sprechen gerne rund um die Halbierung der BTC-Belohnungen von einem Kurskorridor, den sie als „Narrow Halving Window“.  Rund um ein Halving bewegt sich der Kurs erfahrungsgemäss in einem Kursbereich, der später nicht zu 100 Prozent bestätigt wird. Als Aussage über die Vergangenheit ist die Annahme erneuter Anstiege aber immer das sprichwörtliche dünne Eis, auf das sich Analysten begegnen. Zumal sich nach dem dritten Halving durchaus nicht nur positive Entwicklungen abzeichneten. Die historisch starke Bewegung nach früheren Halbierungen ist aber keine Garantie für vergleichbare Trends in Zukunft.

Vorsicht bei allzu rosigen Kursversprechen von Analysten

Aus Sicht vieler Analysten ist die Bitcoin-Kurs-Prognose anhand der S-2-F-Ratio zu spekulativ, andere schwören auf den Ansatz. Die Problematik besteht aus der Sicht der Kritiker darin, dass die Kursbewegung eben nicht allein durch die Bitcoin-Produktionsrate bestimmt wird. Ein Beispiel: Aktuelle Auswertungen würden zu einem wahrscheinlichen Preis von 1,0 Millionen US-Dollar nach dem fünften Halving kommen. Zu kurz kommt in der Stock-to-Flow-Ratio unter anderem die Marktkapitalisierung. Einige bekannte Analysten haben berechnet, dass der BTC für einen Millionenkurs eine Kapitalisierung in einer Grössenordnung wie relevante Fiatgelder wie der US-Dollar oder der Euro erreichen müsste. Trotz zunehmender Akzeptanz im Handel sind solche Entwicklungen binnen weniger Jahre vermutlich eher unwahrscheinlich. Dass der Bitcoin gerne als „digitales Gold“ tituliert wird, darf in diesem Zusammenhang auch aus einem weiteren Grund nicht missverstanden werden.

Nachfrage-Entwicklung von vielen Punkte beeinflussbar

Anhänger der Stock-to-Flow-Ratio müssen automatisch davon ausgehen, dass die Coins tatsächlich genutzt werden. Ob dies dann als Zahlungsmittel, Wertspeicher oder anderweitig geschieht, wäre nebensächlich. Belastbare Vorhersagen zu einer steigenden – für die Stock-to-Flow-Ratio unverzichtbaren – Nachfrage lassen sich aber nur bedingt ableiten. Es gab immer wieder mal Momente in der Bitcoin-Geschichte, in denen die Nachfrage überraschend sank. Weitere Aspekte, die Analysen insgesamt erschweren, sind Unvorhersehbarkeiten. Neue Produkte wie Futures und Optionen auf den Bitcoin leisteten der grösseren Akzeptanz vor einiger Zeit Vorschub. Auch das Interesse institutioneller Investoren sendet positive Signale aus. Negativ wirkt sich auf die potenziell steigende Nachfrage die nach wie vor schwierige Regulierungssituation aus. Regelmässige Berichte über vermeintliche Manipulationen sind für verlässliche Prognosen über Analyse-Instrumente wie die Stock-to-Flow-Ratio ihrerseits nicht gerade förderlich.

Stock-to-Flow-Ratio kann Aussagekraft erkennen lassen

Trotz der Schwierigkeiten, die auf dem Weg zur Kurs-Analyse für den Bitcoin lauern, kann die Ratio durchaus zielführend sein. Schliesslich ist der Bitcoin als erster digitale Vermögenswert per se auf Knappheit ausgelegt und damit auf Augenhöhe mit Edelmetallen wie Gold und Silber. Verschiedene  Analysten bestätigen, dass es eine tatsächliche Relation zwischen Stock-to-Flow auf der einen und dem BTC-Marktpreis gibt, die vielfach als „statistisch relevant“ einzustufen sei. Und diese Beziehung sei keineswegs auf einem reinen Zufall begründet. Letztlich schwanken die Bewertungen des Analyse-Ansatzes zwischen „berechtigt“ und „zu vage“. Richtig ist: Das Tool muss sich nach jedem entscheidenden Marktereignis als Modellberechnung neu beweisen. Dies aber trifft auch auf die meisten anderen Analysewege zu bei einem noch immer extrem volatilen Asset wie dem Bitcoin.

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