Viele Länder ignorierten digitale Währungen wie den Bitcoin und Altcoins lange Zeit, weil sie die Kryptowelt für einen Tummelplatz einer eher kleinen Gruppe digitaler Nerds hielten. Später erkannten Staaten zunehmend die technischen Möglichkeiten, deuteten diese aber weitgehend als Gefahr für das traditionelle Finanzsystem. Spätestens durch das Bekanntwerden der Stablecoin-Pläne des Social-Media-Riesen Facebook – zunächst unter dem Projektnamen Libra, heute als Diem geführt – sahen sich Regierungen und Zentralbanken einer vermeintlich grossen Bedrohung ausgesetzt. Anfangs mühte sich die nationale und internationale Politik, Facebook Steine in den Weg zu legen und kündigte immer neuen Massnahmen der Regulierung an. Nach und nach beginnen Länder, sich selbst mit mit möglichen Anwendungsfällen der Blockchain und anderer Kryptotechnologien zu befassen. Nachfolgend zeigt CoinPro.ch, wo ausgewählte Staaten in den Überlegungen zum digitalen Zentralbankgeld stehen.

Lange an vorderster Front: die Volksrepublik China

Doch auch andernorts arbeitet man inzwischen an Digitalen Zentralbankgeld (CBDC). Grund genug, um uns mit einigen ausgewählten Ländern und ihren Aktivitäten rund um „Central Bank Digital Currencies“ und den Fortschritt erster Konzepte zu befassen.

Schweiz – fortgesetzter Ausbau der Führungsrolle in Europa

In Europa bleibt die Schweiz Vorreiter, wenn es um die Anerkennung neuer Technologien geht. Die Rechtslage wurde 2020 auf einen richtungweisenden Weg gebracht. Das Repräsentantenhaus hat Signale für die Überführung digitaler Vermögenswerte in nationales Recht gesetzt. Durch das „Blockchain-Gesetz“ könnte die Schweiz viele Krypto- und Blockchain-Firmen anziehen. Anfang Februar wurde die erste Phase eingeläutet. Änderungen der Strukturen des Schweizer Finanzmarktes sind ab August geplant. Positiv zu Entwicklung äusserte sich Heinz Tännler, seines Zeichens Präsident des Schweizerischen Blockchain-Verbandes. Die Schweiz, so Tännler, werde zu den fortschrittlichsten Ländern weltweit gehören. Einige Unternehmen haben bereits bei der zuständigen FINMA Lizenz-Anträge gestellt, andere planen die Antragstellung.

Der Vermögensverwalter Crypto Finance teilte kürzlich den Erhalt einer Wertpapierlizenz für eine Brokerplattform mit. Auf der Liste neuer Krypto-Produkte und -Dienstleistungen wird auch der Handel mit Security Token stehen. Anbieter wie die SEBA Bank möchten Token-basierte Aktien via Blockchain emittieren. Eine neue Lizenzierungskategorie wird den Handel mit verschiedensten digitalen Wertpapieren ermöglichen.

Deutschland – viele Ideen, aber wenig Aktivität?

In Deutschland wird engagiert über digitales Zentralbankgeld diskutiert. Freilich geht es auch im die Frage, ob und wie ein möglicher Digital-Euro für die Öffentlichkeit verfügbar gemacht werden kann. Spätestens durch die sogenannte „Blockchain-Strategie” der Bundesregierung muss das CBDC-Thema eine Rolle spielen. Die Politik will strategisch abwägen, in welchen Bereich Volkswirtschaften in Europa von der wirtschaftlichen Digitalisierung und Systemen wie dem Bitcoin profitieren können. Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) steht im Mittelpunkt vieler Überlegungen zur Digitalisierung von Zahlungs- und Finanznetzwerken. In Deutschland war es im Jahr 2020 unter anderem der deutsche Bankenverband, der wiederholt nach einer europäischen Lösung zu einer CBDC rief. Beim Verband ging man zuletzt so weit, eine solche  Lösung als „unabdingbar“ zu bezeichnen. Noch aber tut sich in Deutschland relativ wenig. Die EU setzt für die Erforschung inzwischen auf eine „Task Force“. Sie soll unterschiedliche Szenarien zur CBDC-Anwendung durchspielen und Bericht erstatten.

Frankreich – Zentralbank setzt auf private Partner

Einen Schritt weiter als Deutschland im Bezug auf digitales Zentralbankgeld ist mittlerweile das Nachbarland Frankreich.  Bereits im Sommer 2020 berichteten viele Branchenmedien über einen ersten Testlauf zu  einem digitalen Euro der Banque de France, also der Notenbank Frankreichs. Das Land strebt seitdem die Position einer führenden Nation im internationalen Wettbewerb und zur ersten Digitalwährung einer Zentralbank ein. Das Pilotprojekt bezieht sich auf eine „Wholesale CBDC“, also eine Währung für die Verwendung im Interbankengeschäft. Das Besondere beim Ansatz der französischen Zentralbank. Auch wenn sogenannte Nichtbanken vorerst ausgeschlossen sind, ist vor allem ein Aspekt interessant: Frankreichs Notenbank setzt ausdrücklich auf privatwirtschaftliche Unterstützung.

Zu den Partnern gehören unter anderem Unternehmen wie Société Générale und HSBC, aber auch Dienstleister wie die Plattform LiquidShare, die für die Ausgabe von Security Token (inklusive eines Euro-Stablecoins) bekannt ist. Ob und wie ein digitaler Euro auf Blockchain-Basis beim Handel mit Finanzinstrumenten zum Einsatz kommen kann, steht im Mittelpunkt des Tests – ebenso geht es um die Frage, ob ein Digitaleuro im Zusammenhang mit grenzüberschreitendem Währungstransfer Chancen bietet.

Schweden – vielen anderen Ländern Europas weit voraus

Das nordeuropäische Schweden ist im Moment wohl führend, wenn es um mögliche Anwendungen einer CBDC geht. Schon vor rund fünf Jahren arbeitet die dortige Zentralbank an der Erforschung einer potenziellen Einführung digitalen Zentralbankgeldes. Die sogenannte „E-krona“ könnte in naher Zukunft auch die Gesellschaft insgesamt verändern. Insbesondere wägen die zuständigen Experten im Land ab, ob digitale Zahlungsmodelle mit der Hilfe einer CBDC schneller als bisher ausgebaut und verbessert werden können. Schwedens Riksbank gilt vielen Branchenkennern in diesem Zusammenhang als Vorreiter innerhalb Europas. Dabei lag dies durchaus nahe. Denn das Land gilt wie andere skandinavische Staaten einer Digitalisierung des Finanzsystems gegenüber als besonders offen. Hier wäre also eine „Retail CBDC“ als digitales Zentralbankgeld für die Gesellschaft allgemein und damit auch Privatpersonen und private Unternehmen denkbar, die Token-basiert parallel zum etablierten Geldsystem genutzt wird.

China – Kampfansage in Richtung Facebook und die USA

Die Volksrepublik China präsentiert sich hinsichtlich der möglichen Einführung einer digitalen Zentralbankwährung besonders fortschrittlich. Statt theoretischer Gedankenspiele gab es dort inzwischen bereits Praxistests. So gibt es beispielsweise für Beamte der Regierung die Möglichkeit, Gehälter anteilig in einer CBDC auszahlen zu lassen. Für die Entwicklung und Erforschung der Blockchain hat der Staat Investitionen in Milliardenhöhe versprochen. Erst Ende 2020 folgten neue Meldungen zu weiteren Test zu einem E-Yuan. Im Rahmen einer Lotterie konnte sich die Bevölkerung in der Region Suzhou im Dezember 2020 Pakete im Wer von 200 Digital-Yuan sichern. Das Pilotprojekt umfasste insgesamt 100.000 Pakete im Gesamtwert von umgerechnet drei Millionen US-Dollar.

Paket-Empfänger konnten über das „Digital Currency Electronic Payment“-System (DCEP) innerhalb des jährlich stattfindenden Double 12-Einkausfestivals ihre E-Yuan in Geschäften und Onlineshops verwenden. Die optionale Nutzung im stationären Handel ist hierbei eine internationale Besonderheit. Es war bereits das zweite Projekt dieser Art. im Oktober könnten Bürger in der Stadt Shozhou bereits die CBDC-Anwendung testen. Laut dem Gouverneur der chinesischen Volksbank waren im November 2020 etwa vier Millionen Transaktionen in Verbindung mit der staatlichen Kryptowährung durchgeführt worden. China ist wohl gerade deshalb so aktiv, weil der Staat in der zunehmenden Bitcoin-Verwendung eine Gefahr für die staatliche Überwachung der Bevölkerung sieht.

USA – welche Massnahmen ergreift die neue Regierung?

Viele Krypto-Befürworter in den USA warnen davor, dass die Vereinigten Staaten durch zu viel Diskutieren und Zurückhaltung im Wettkampf mit China zunehmend ins Hintertreffen geraten könnte. FED-Chef Jerome Powell hatte mehrfach betont, die USA verfolgten nicht das Ziel als erstes Land digitales Zentralbankgeld in Umlauf zu bringen. Stattdessen verwies Powell darauf, dass die USA durch die Rolle des US-Dollars als weltweite Reservewährung einen Vorteil als sogenannter „First-Mover“ ausspielen könne. Die Realität sieht angesichts der Pläne und ersten Erfolge anderer Staaten zumindest gefühlt anders aus. Zumal: Die USA sind ein Land, in immer mehr Menschen das digitale Bezahlen der Verwendung von Bargeld vorziehen – die Lage ist also ähnlich wie in Schweden. Entsprechend anders klangen Aussagen Powells Anfang 2021.

So liess der Vorsitzende der US-Notenbank verlautbaren, die USA benötigten eine Digitalwährung, um der rasanten Verbreitung von Stableuchten-Technologien gewachsen zu sein. Eine CBDC hat laut Paul mittlerweile „sehr hohe Priorität“ – insbesondere, um schlechtes Geld im Privatsektor zu bekämpfen, wie es Powell formulierte. Die Hoffnungen der CBDC-Fans ruhen nun auf der neuen US-Regierung. Das Kabinett Biden könnte weniger kritisch als die Regierung unter Trump sein. Die Federal Reserve Bank of Cleveland immerhin stellte im September 2020 ein Grundsatzpapier vor. Gleich mehrere DLT-Plattformen hat die besagte FED entwickelt und ersten Tests unterzogen, um mögliche Vorteile zu definieren.

Bahamas starten erste flächendeckende CBDC weltweit

Während andere Staaten nur mit dem Gedanken an eigene CBDC-Entwicklungen spielen, gehen die Bahamas mit gutem Beispiel voran. Im Herbst des vergangenen Jahres kündigte die Zentralbank des Inselstaates an, die „erste CBDC der Welt“ einzuführen. Die Zentralbank der Bahamas gab Ende Oktober bekannt, der virtuelle „Sand Dollar“ stehe nun landesweit zur Verfügung. Ohne Frage ist ein solcher Start bei einer Einwohnerzahl von rund 400.000 Menschen rein technisch weniger aufwendig als in Staaten wie den USA: Dennoch war dieser Schritt nichts nichts weniger als ein globaler Meilenstein. Bürgerinnen und Bürger des Landes können Überweisungen mit der Währung nun per Handy durchführen. Dies war und ist insofern wichtig, weil der Anteil der Bevölkerung ohne ein solches mobiles Endgerät inzwischen sehr gering ausfällt.  CBDC-Zahlungen über eine staatlich zugelassene digitale Geldbörse sind im Land zu sehr geringen Gebühren möglich. Zahlungspartner ist der den Dienstleister NZIA.

Ein Schnellschuss war die Einführung nicht. Schon seit Jahren arbeiten Experten auf Hochtouren an Pilotprojekten. Wichtig zu wissen: Sand Dollars sind an den Bahama Dollar und damit an den US-Dollar gebunden.

Digitales Zentralbankgeld in Österreich – 2021 könnte neue Weichen stellen

Wie in den meisten Ländern Europas herrscht in Österreich Skepsis bezüglich digitalen Zentralbankgeldes. Im Rahmen der Pläne der Europäischen Zentralbank (EZB) wird aber auch hier verstärkt über einen digitalen Euro nachgedacht. Europas Zentralbank-Präsidenten sollen zur Jahresmitte 2021 über den Start eines E-Euro entscheiden. Viele Experten sind einig: Auch Österreichs Zentralbank wird eine CBDC verstärkt zur Chefsache erklären. Wahrscheinlich wird es dann auch eine entsprechende Testphase in der Alpenrepublik geben. Möglich wäre im Erfolgsfall bereits die Verfügbarkeit ab Anfang 2022. Und zwar in ganz Europa. Für eine tragende Rolle Österreichs spricht im Zusammenhang mit einem digitalen EU-Zentralbankgeld, dass das Land schon heute eine Reihe wichtiger Krypto- und Blockchain-Unternehmen wie die Wiener Kryptobörse Bitpanda beheimatet.

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